Studierende der Molekularen Biotechnologie erkunden die Entwicklung und Produktion von Biopharmazeutika bei Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG in Wien.
Biotechnologie ist in unserem Alltag allgegenwärtig, auch wenn biotechnologische Produkte nicht so wahrgenommen werden, wie andere technische Neuerungen. Biotechnologie findet sich wieder im Frühstücksbrötchen genauso wie in hochkomplexen und spezifischen Therapeutika in der Humanmedizin. Enzyme, die z.B. in Backprozessen verwendet werden, und Wirkstoffe wie z.B. Antikörper zur Krebsimmuntherapie, werden von Biotechnologen entwickelt und mit Zellkulturen industriell im großen Maßstab hergestellt.
Was wir an der Hochschule Zittau/ Görlitz den Studierenden der „Molekularen Biotechnologie“ und der „Pharmazeutischen Biotechnologie“ nur im kleinen Labormaßstab vermitteln können, findet in der Industrie in ganz anderen Ausmaßen statt. Wenn wir im Labor im sogenannten Upstream-Processing Zellen zur Produktion monoklonaler Antikörper entwickeln und im ein Liter Maßstab kultvieren, um dann im Downstream-Processing ein paar Milligramm Produkt zu erhalten, so sind das in der Industrie mehrere Kubikmeter und Kilogramm in automatisierten Reinraumprozessen.
13 Studierenden des Matrikels NBb21 und drei Mitarbeiter der Fachgruppe Biotechnologie der Fakultät Natur- und Umweltwissenschaften hatten nun die einmalige Gelegenheit, Forschung, Entwicklung und Produktion von Biopharmazeutika bei einem der weltweit größten Pharmakonzerne kennenzulernen. Durch die Vermittlung einer ehemaligen Studentin, die nach ihrem Abschluss als Marie Sklodowska-Curie Stipendiatin bei der Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG beschäftigt ist und dort ihre Doktorarbeit anfertigt, fand eine Exkursion an den Firmenstandort in Wien statt. Mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden befindet sich hier ein globales Zentrum des familiengeführten deutschen Unternehmens Boehringer Ingelheim für die Krebsforschung und die Entwicklung und Herstellung von Biopharmazeutika.
Der Besuch begann mit einer umfassenden Führung durch die modern ausgestatteten Labore der Bereiche Upstream, Downstream und Analytik der Abteilung Prozessentwicklung, in der an der Entwicklung und Optimierung der Verfahren gearbeitet wird. Eindrucksvoll war vor allem, die Organisation der Labore im Hochdurchsatz, z. B. mit Multifermentationssystemen, mit denen parallel Prozessparameter variiert und ausgetestet werden können. Nach dem Mittagessen in der unternehmenseigenen Mensa gab der Senior Manager für Technologie und Innovation einen umfassenden Überblick über die Geschichte und die bedeutenden Beiträge des Unternehmens in der Entwicklung biopharmazeutischer Wirkstoffe. Am Nachmittag folgte dann die Führung durch das „Large-Scale Cell Culture“ Produktionsgebäude, die das Highlight des Tages bildete. Während des 1,5-stündigen Rundgangs entlang des Besucherstegs der Reinraumanlage über mehrere Etagen konnten die Studierenden durch eine Glasfassade die Herstellung und Aufreinigung von Biopharmazeutika im großtechnischen Produktionsmaßstab aus nächster Nähe beobachten. Dabei wurden Ihnen die modernen Fermentationssysteme mit jeweils 15.000 Litern Nutzvolumen, die Prozessleitsysteme und die Anlagen zur Aufreinigung der Biopharmazeutika gezeigt und erklärt.
Während der Führungen und in einer abschließenden Feedbackrunde mit Firmenvertretern bei Kaffee und Kuchen hatten die Studierenden die Möglichkeit, direkt mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort zu sprechen und Fragen zu stellen. Hier wurden nicht nur fachliche Aspekte geklärt und diskutiert, sondern auch Karrierewege innerhalb der Biotechnologie aufgezeigt.
Wir danken der Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG und allen, die sich im Hintergrund oder bei den Besichtigungen um uns gekümmert haben, herzlichst für die Möglichkeit der Werksführung und für die freundliche Bewirtung. Der überaus seltene Einblick hat uns zwei Dinge gelehrt. Zum einen waren wir erfreut, dass die Methoden und Verfahren der industriellen Produktion von Biopharmazeutika in den Lehrveranstaltungen der Biotechnologie in Zittau theoretisch und praktisch umfassend abgebildet werden. Dimension, Effizienz und Ertrag lassen aber hochgradig staunen. Zum anderen haben uns die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens mit ihrem Wissen und ihrer großen Begeisterung für ihren Beruf beindruckend gezeigt, was in der modernen Biotechnologie alles möglich ist. Unser Dank gilt besonders unserer Absolventin Sophie für die viele Zeit und das große persönliche Engagement bei der Organisation und Durchführung der Exkursion und des geselligen Abends im „Schwarzen Raben“ in Wien mit anschließender Stadtführung!