Beim regionalen Strukturwandel standen bislang vor allem technologische Innovationen im Mittelpunkt. Stärker in den Fokus rückt nun auch die Notwendigkeit sozialer Innovationen.
Um jene Prozesse gezielt zu fördern, sollen Bewertungskriterien neu definiert. Rahmenbedingungen müssen so strukturiert werden, dass soziale Innovationen entstehen können. Wie lässt sich dieser gesellschaftliche Wandel optimal unterstützten?
Dies stellte die zentrale Frage eines Workshops an der Hochschule Zittau/Görlitz dar, zu welchem vier geförderte Initiativen des BMBF-Programmes „WIR! — Wandel durch Innovation in der Region“ eingeladen hatten. Gemeinsam mit dem BMBF und dem Projektträger Jülich brachten sie ihre Erfahrungen ein und diskutierten darüber, wie man Sozialen Innovationen in der Praxis mehr Raum verschaffen kann. An dem Gespräch nahmen Vertreter*innen der vier WIR!-Bündnisse „Lausitz — Life & Technology (Oberlausitz)“, „Vogtlandpioniere“,
„Recomine (Erzgebirge)“, „Region 4.0 (Uckermark)“ teil sowie „Plant³ (Vorpommern)“ und „I-Ma-Tech
(Westsächsisches Vogtland)“ als Gäste die WIR!-Bündnisse.
Wo es um technologischen Fortschritt geht, geht es immer auch um soziale Prozesse.
Alle fünf Regionen stehen vor immensen Herausforderungen im regionalen Strukturwandel und es sind vor allem kleine Unternehmen, Vereine und freiberuflich Tätige, die sich in den Bündnissen engagieren. „Wo es um technologischen Fortschritt geht, geht es immer auch um soziale Prozesse.“, unterstrich Professor Raj Kollmorgen, Prorektor für Forschung der Hochschule Zittau/Görlitz und zugleich Konsortialführer von „Lausitz — Life & Technology“. Standen bis zur Wende ins 21. Jahrhundert vor allem die technischen Innovationen im Zentrum öffentlicher Kommunikation und Förderung, rücken nun die erforderlichen sozialen Innovationen in den Fokus, so der Soziologe. Diese Entwicklung, bestätigte Leonie Liemich, spiegele sich im Arbeitsalltag der WIR!-Bündnisse wider. Als Projektkoordinatorin von „Lausitz — Life & Technology“ spüre sie die Herausforderungen vor allem für die kleinen Unternehmen und Institutionen, die typisch für die Wirtschafts- und Forschungslandschaft in der Oberlausitz seien, deren personelle Kapazität und Ressourcen aber begrenzt seien. Raj Kollmorgen wies darauf hin, dass es sehr wichtig sei, beispielsweise in Zittau, ein neues wissenschaftliches Institut anzusiedeln. Diese Entwicklung habe aber auch soziale Konsequenzen und provoziere mehrere Fragen. So unter anderem: „Wie bereitet man die Stadt, den Landkreis und die Region darauf vor? Welche Chance haben Frauen und Männer vor Ort auf einen Arbeitsplatz? Mit welchen Mitteln werden Kinder und Jugendliche für die neuen Möglichkeiten begeistert?“
Constanze Roth, Projektkoordinatorin des WIR!-Bündnisses
„Vogtlandpioniere“, griff diese Fragen auf und erweiterte den Blickwinkel: „Unsere Bündnispartner, die sich u. a. mit Leib und Seele dafür einsetzen, leerstehende, denkmalgeschützte Gebäude mit neuen, innovativen Nutzungen wieder mit Leben zu füllen. Das sind oft Vereine, ehrenamtlich engagierte Männer und Frauen und kleine mittelständische Unternehmen.“ Ihre profunde Kenntnis der Region sowie ihre Nähe zu den Herausforderungen vor Ort, präge ihre Kompetenz und müsse noch intensiver genutzt werden. Diesen in vielen Regionen vorhandenen Erfahrungsschatz möchte sie noch stärker in die Zusammenarbeit mit dem BMBF und dem Projektträger einbringen. Dazu regte sie an, die Förderung sozialer Innovationen mit speziellen Kriterien zu bewerten. Die vorrangig ökonomisch konzipierten Kriterienkataloge für innovative Förderprojekte müssen um eine soziale Dimension erweitert werden.
Gemeinsame Initiative der WIR!-Bündnisse regt Umdenken beim Umgang mit sozialen Innovationen an
Ramón Kucharzak, Fachreferent im BMBF, verwies auf einen Qualitätssprung, der mit der WIR!-Programmfamilie erreicht wurde, da diese Förderung sowohl die technischen als auch sozialen Dimensionen im Innovationsgeschehen in den Blick nehme. Die von den WIR!-Bündnissen gemachten Erfahrungen im Arbeitsalltag werden bei der Fassung neuer Förderprogramme und bei der Feinjustierung der aktuellen Zusammenarbeit eine Rolle spielen. In Abstimmung mit Thomas Reimann vom Projektträger schlug er vor, bei einem weiteren Arbeitsgespräch spezifische Lösungen zu finden, die eine weitere erfolgreiche Arbeit der Bündnisse ermöglichen. Dabei müsse aber immer deutlich werden, welchen Beitrag das definierte Feld technologischer und sozialer Innovationen für den Wandel in einer Region tatsächlich leisten kann, welches Investment die einzelnen Partner erbringen können und wie dieser Prozess langfristig verstetigt werden kann.
Professor Raj Kollmorgen schloss dieses mit großer Kompetenz, Neugier und Leidenschaft geführte Gespräch mit einem philosophischen Ausblick. Bisher seien technologische Innovationen fast immer in Konkurrenzsituationen, im Wettbewerb von Ideen und Prozessen, im Überwinden von Routine entstanden. Soziale Innovationen hingegen benötigten Kooperation, das Miteinander von Ideen und den Ausgleich von Interessen. Möglicherweise sei das Verbinden beider Dimensionen eine wichtige Innovation im 21. Jahrhundert.
Einen weiteren Artikel zur Veranstaltung sowie Videostatements einiger Mitwirkender sind auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu finden.