Wissenschaftler*innen der HSZG forschten an der Orchidee des Jahres 2020 und fanden Hinweise auf eine genetische Anpassung an diverse Klimaverhältnisse in der Oberlausitz.
Das selten vorkommende Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) ist eine auffällig blühende Orchideenart, die vor allem in nährstoffarmen Feuchtgebieten wie z.B. Flussauen, Niedermooren und Feuchtwiesen wächst und in der Oberlausitz seit Jahrhunderten gedeiht. Durch anhaltenden Düngereintrag aus der Landwirtschaft, intensive Beweidung und Trockenlegung von Biotopen gingen in der Vergangenheit die Lebensräume dieser Orchidee dramatisch zurück. Da fast ein Drittel der weltweit noch existierenden Bestände in Deutschland vorkommt, stuft das Bundesamt für Naturschutz (BfN) D. majalis aktuell als sogenannte „Verantwortungsart“ ein. Als zusätzlicher Schadfaktor kann in der Zukunft der Klimawandel wirken und im Rahmen länger anhaltender Trockenperioden speziell in den Sommermonaten zu weiteren Bestandsverlusten führen. Die Arbeitskreise Heimische Orchideen (AHO) in Deutschland machten unlängst auf dieses neue Gefahrenpotenzial aufmerksam, indem sie das Breitblättrige Knabenkraut zur Orchidee des Jahres 2020 wählten.
Eine Forschergruppe der HSZG (Fakultät Natur- und Umweltwissenschaften, Fachgruppen Biotechnologie sowie Ökologie und Umweltschutz), die seit 2014 zwölf Populationen des Breitblättrigen Knabenkrautes an diversen Standorten der Oberlausitz erkundete, veröffentlichte nun ihre Untersuchungsergebnisse als Fachartikel in der international begutachteten Zeitschrift Biologia („Analyses of sexual reproductive traits in Dacytlorhiza majalis: a case study from East Germany“, Schubert et al., 2020). Die Wissenschaftler gingen vor allem der Frage nach, wie es um die Fruchtbarkeit von D. majalis bestellt ist und ob es Hinweise auf eine Anpassung der Art an örtliche Standortfaktoren gibt. Dazu kamen spezielle Labormethoden in Gestalt von biochemischen Samenanalysen, mikroskopischen Chromosomenuntersuchungen und DNA-Markertechnologien zum Einsatz, wobei die lokalen Umweltfaktoren anhand der Zeigerwerte der örtlich vorkommenden Pflanzengemeinschaften identifiziert worden sind. Überraschenderweise waren 85 bis 95 % der untersuchten Samen steril, was sich durch beobachtete chromosomale Unregelmäßigkeiten bei der Reifeteilung in den Makrosporen erklären ließ. Die Daten konnten in zwei Kollektive unterschiedlicher Fruchtbarkeit unterteilt werden, die sich sowohl anhand des Standortfaktors Kontinentalität als auch anhand eines genetischen Markers unterschieden. Weil die Orchideensamen im Lausitzer Bergland signifikant fruchtbarer im Vergleich zu den Orchideensamen der Heide-und Teichlandschaft waren, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sie eine vorteilhafte genetische Anpassung an die suboptimalen kontinentalen Klimabedingungen im Gebirge entdeckt haben. In Bezug auf den Schutz und das zukünftige Management des Breitblättrigen Knabenkrauts rufen sie dazu auf, von nun ab für längerfristige Prognosen in regelmäßigen Abständen die Fruchtbarkeit der Bestände in der Oberlausitz zu überwachen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf einige sehr kleine Populationen gelegt werden, deren Überleben gefährdet ist.
Text: Markus Brugger
Hier finden Sie den kompletten Artikel mit allen Ergebnissen der vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) geförderten Arbeit.