Prof. Dr. Ingolf Prosetzky über Wechselwirkung von Einsamkeit mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen
Einsamkeit ist ein komplexes, facettenreiches und ambivalentes Phänomen, welches unvermeidlich zum menschlichen Leben gehört. Einsamkeit kann sowohl heilsame, als auch – in seiner chronischen Form – viel Leid verursachende und krank machende Wirkungen haben. In der Expertise werden die Begriffe (chronische) Erkrankung und Behinderung sowie das Zusammenspiel von Risikofaktoren erörtert, die zu chronischer Einsamkeit – und aus ihr hinaus – führen können.
Am Beispiel von Geistiger Behinderung wird aufgezeigt, wie Stigmatisierungsprozesse einen »Teufelskreis der Einsamkeit« entstehen lassen können. Es werden internationale Studienergebnisse zu Makro- und Meso-Interventionen präsentiert, die geeignet erscheinen, gesellschaftliche und gemeinschaftliche Barrieren leichter abzubauen und chronische Einsamkeit zu reduzieren. Im theoretischen und praxis-relevanten Kern der Expertise steht das Plädoyer, Einsamkeit als »Gefühl« (wieder) stärker in seiner ganzen Komplexität zu betrachten.
Zu allererst bedeutet das, die in der Einsamkeitsforschung abgespalteten positiven und heilsamen Aspekte von Einsamkeit zurückzuholen (Einsamkeitsfähigkeit). Erfolgversprechender als die „Bekämpfung“ von Einsamkeitsgefühlen ist die gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit Missständen, die Menschen von sich und anderen als abgetrennt erleben.