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06. Juli 2016

Neu entwickeltes Verfahren wird internationaler Standard

Keine heiße Luft! Ein neues Verfahren von DLR, TUD und HSZG simuliert Wasserdampf-Strömungen in Turbomaschinen.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat gemeinsam mit der Hochschule Zittau/Görlitz und der Technischen Universität Dresden ein Verfahren entwickelt, das die Strömung von Wasserdampf in Turbomaschinen hochgenau und 10-mal schneller als bisher simuliert. Damit können Wissenschaftler die Vorgänge in einer Turbine wesentlich präziser vorhersagen und Hersteller haben fundierte Daten für die Weiterentwicklung ihrer Anlagen. Auch Weltraumforscher nutzen die Berechnungsverfahren; mit ihnen können sie die Prozesse auf Kometen, Monden und Exoplaneten besser verstehen und simulieren. Das Verfahren ist von der IAPWS (The International Association for the Properties of Water and Steam) zum neuen internationalen Standard erklärt worden.

Wasser hat je nach Temperatur und Druck sehr unterschiedliche Eigenschaften. Um die Prozesse in der dreidimensionalen Umgebung einer Turbine numerisch vorhersagen zu können, muss das Verhalten für Millionen Punkte im Raum zu jedem Zeitpunkt berechnet werden. In den vergangenen sechs Jahren haben Wissenschaftler beim DLR-Institut für Antriebstechnik in Kooperation mit der Hochschule Zittau/Görlitz und mit der TU Dresden ein hochgenaues und im Vergleich zu bisherigen Modellen 300-mal schnelleres Berechnungsverfahren entwickelt. Damit ist es erstmalig möglich, die Eigenschaften des Wasserdampfes in komplexen Prozessen zu simulieren.

"Um diesen neuen, sehr genauen und gleichzeitig sehr schnellen Algorithmus zu entwickeln, sind wir von den Berechnungsgleichungen der IAPWS ausgegangen und haben diese mithilfe effizienter Interpolationsverfahren und spezieller Variablentransformationen gelöst. Dadurch sind Interpolationstabellen entstanden, welche die Eigenschaften des Wasserdampfes sehr genau abbilden", sagt Prof. Hans-Joachim Kretzschmar von der Hochschule Zittau/Görlitz, der gemeinsam mit Matthias Kunick das neue Interpolationsverfahren (Spline-basierte Table Look-up, SBTL) entworfen hat. Solche exakten Simulationen sind eine wichtige Grundlage bei der Weiterentwicklung von Turbinen. Hersteller können dabei die Eigenschaften und das Verhalten von Prototypen in der Computersimulation testen, das verkürzt die Entwicklungszeit und reduziert die Entwicklungskosten ganz erheblich.

Numerische Strömungsdynamik

Neu an dem Verfahren ist die Anbindung an eine CFD (Computational Fluid Dynamics) -Datenbank. Vor der Berechnung werden die möglichen Zustände des Wassers oder Dampfes mit Hilfe dieser Datenbank zum Beispiel für die Parameter Druck und Temperatur eingegrenzt. Damit müssen nicht alle möglichen Aggregatszustände berechnet werden, sondern nur die jeweils relevanten.

"Wasser beziehungsweise Wasserdampf ist ein sehr vielseitiges Medium, die Simulationen in einer komplexen dreidimensionalen Umgebung einer Turbine sind daher extrem schwierig und aufwändig", sagt Projektleiterin Prof. Francesca di Mare vom DLR-Institut für Antriebstechnik. Mithilfe der numerischen Strömungsdynamik können sehr genaue, realitätstreue Informationen über die dreidimensionalen und hochgradig instationären Vorgänge in einer Turbine gewonnen werden.

Erfolgreich eingesetzt wird das Verfahren bereits in der Siemens Division "Power and Gas". Dadurch werden dynamische und stationäre Simulationen von Kraftwerksprozessen ohne Abstriche an der Berechnungsqualität drastisch beschleunigt.

"In stationären Simulationen konnten wir die Berechnungsgeschwindigkeit zum Teil mehr als verdoppeln", sagt Ingo Weber, Leiter der Toolentwicklung für stationäre Kraftwerkssimulation im Bereich "Energy Solutions" von Siemens "Power and Gas". Berechnungsverfahren kommen auch in der Weltraumforschung zum Einsatz. Nicht nur die Industrie braucht hochgenaue Berechnungsverfahren für das Verhalten von Wasserdampf. Wasser, in Form von Dampf, flüssigem Wasser oder Eis ist einer der wichtigsten Stoffe auf der Erde und in unserem Sonnensystem. Mit dem Berechnungsverfahren können Planetenforscher unter anderem die Prozesse der Eismonde Titan oder Europa oder auch die Dampfatmosphären von heißen Planeten wie der frühen Venus oder bestimmter Exoplaneten besser verstehen.

"Wasser kommt in unserem Sonnensystem in sehr vielen unterschiedlichen Formen vor. Wenn man die Vorgänge modellieren will, dann reicht es nicht aus, Wasserdampf lediglich als ideales Gas anzunehmen. Wichtig sind hier Codes, die die Vorgänge schnell und exakt berechnen können", sagt Dr. Jens Biele, stellvertretender Projektleiter der Kometensonde Philae.Von der Idee zum internationalen Standard. "Vor sechs Jahren sind wir mit der Idee der Verknüpfung von hochgenauen Algorithmen mit einer CFD-Datenbank gestartet", blickt di Mare zurück. Aufgrund der Komplexität des Wassers galt diese Verknüpfung in Fachkreisen lange als große Herausforderung. Das Verfahren ist so genau und zuverlässig, dass es von der "International Association for the Properties of Water and Steam (IAPWS) ", zum neuen internationalen Standard für die Berechnung der Eigenschaften von Wasserdampf und Wasser in Computational Fluid Dynamics und aufwendigen instationären Prozesssimulationen erklärt wurde. Die IAPWS ist ein internationaler Verband von zwölf nationalen Organisationen, die die Eigenschaften von Wasser in allen möglichen Aggregatszuständen erforschen. "Durch die Entwicklung dieses innovativen Verfahrens hat sich das DLR als Vorreiter bei der virtuellen Produkttechnologie weiter etabliert", sagt Reinhard Mönig, Leiter des Instituts für Antriebstechnik. "Das DLR unterstützt damit die Industrie bei der Lösung von allgemeinen technischen Problemen und schafft die Grundlage für eine effiziente Produktentwicklung."Das neue Simulationsverfahren ist das Produkt der Kooperation unter Wissenschaftler aus drei Institutionen. Die hochgenauen thermodynamischen Algorithmen wurden von Kretzschmar und Kunick am Fachgebiet Technische Thermodynamik der FH Zittau/Görlitz in Kooperation mit Prof. Uwe Gampe von der Technischen Universität Dresden entwickelt. Die Algorithmen wurden für die hoch komplexe Anwendung in der 3D-numerischen Simulation von Turbomaschinen in enger Zusammenarbeit mit dem DLR optimiert, wo eine von Prof. di Mare geleitete Gruppe sie in dem Programmsystem TRACE umgesetzt hat.

 

Text: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) (Originaltext': hier)

Ihr Ansprechpartner

Prof. Dr.-Ing. habil. H.-J. Kretzschmar

Dekan der Fakultät Maschinenwesen

Mail: hj.kretzschmar(at)hszg.de

Tel.: 035836124814

Ihre Ansprechpartnerin

Dorothee Bürkle

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Kommunikation, Teamleitung Media Relation

Tel.: 022036013492

Ihre Ansprechpartnerin

Prof. Dr. Francesca di Mare

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Institut für Antriebstechnik - Brennkammersimulation

Tel.: 022036013245