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20. April 2022

"Wir müssen flexibel bleiben"

Leiterin des International Office Lucie Koutková erzählt im Interview, wie die HSZG ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit ukrainischen Studierenden und Geflüchteten koordiniert.

Lucie Koutková ist Leiterin des International Office an der Hochschule Zittau/Görlitz. Im Interview berichtet sie, wie die HSZG ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit ukrainischen Studierenden und Geflüchteten steuert und koordiniert.

Frau Koutková, wie ist der aktuelle Stand, wie wird aktuell mit den ukrainischen Studierenden an der Hochschule Zittau/Görlitz verfahren?

Ende März 2022 ist an der Hochschule Zittau/Görlitz eine Task Force Ukraine im Auftrag des Rektors gegründet worden. Diese, aus den Mitarbeitenden der Verwaltung, aus den Mitgliedern der Fakultäten und Instituten und Mitgliedern vom StuRa bestehende Gruppe, pflegt das Infoportal Ukraine und verwaltet die speziell zum Thema Ukraine eingerichtete E-Mail-Adresse Ukraine(at)hszg.de. Hier werden auch die meisten Aktivitäten der HSZG im Zusammenhang mit ukrainischen Studierenden und Geflüchteten aus der Ukraine koordiniert.

Unsere Priorität ist natürlich die Unterstützung von ukrainischen Vollzeitstudierenden, die aufgrund des Krieges in der Ukraine ihren Lebensunterhalt oder einen Teil davon eingebüßt haben und in Gefahr stehen, das Studium in Deutschland nicht fortsetzen zu können. In diesem Bereich arbeiten wir eng mit dem Förderverein der Hochschule Zittau/Görlitz zusammen.

Außerdem gibt es viele Anfragen von Studierenden aus der Ukraine, die entweder bereits in unserer Region angekommen sind oder sich noch in der Ukraine befinden und nach einem Studienort in Deutschland suchen. Hier handelt es sich übrigens nicht nur um Ukrainer*innen, sondern oft auch um junge Menschen asiatischer oder afrikanischer Herkunft, die in der Ukraine in englischer Sprache studiert haben.

Auch Dozierende aus der Ukraine oder Mitarbeitende von Hochschulen sprechen die Hochschule immer wieder direkt oder durch ihre Gastgeber*innen in Deutschland an und suchen Anknüpfungspunkte. Bei beiden Gruppen ist die größte Herausforderung die mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache. Die große Mehrheit unserer Studiengänge wird nicht in Englisch angeboten. Wo es möglich ist, integrieren wir die Interessenten in unsere Deutschkurse für Austauschstudierende oder ins Studienkolleg mit dem Ziel, sie später als Gasthörer*innen oder Vollzeitstudierende einschreiben zu können.

Bei Dozierenden aus der Ukraine hat sich bis jetzt das an das Erasmus+ Projekt angelehnte Modell Job Shadowing bewährt. So wurde zum Beispiel an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen  Frau Prof. Oksana Makovoz von dem Kharkiv Polytechnic Institute auf diese Art und Weise eingebunden. Im Moment sind keine geflüchteten ukrainischen Dozierenden oder Wissenschaftler*innen bei uns angestellt.

Die HSZG handelt seit Anfang des Krieges in enger Abstimmung mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der die deutschen Hochschulen in Fragen der internationalen Zusammenarbeit vertritt. Parallel findet auch eine Abstimmung auf Landesebene statt. Unter Anleitung der Landesrektorenkonferenz entstehen hier gerade Strukturen zur Koordinierung der Aktivitäten an sächsischen Hochschulen. Darüber hinaus steht die Task Force mit den lokalen Anlaufstellen für Geflüchtete in ständigem Kontakt. Auch wenn die Situation sich ständig weiterentwickelt, sind wir bemüht, für unsere Studierenden aus der Ukraine und aus Russland stabilisierend zu wirken.

Wie verhält es sich mit den russischen Studierenden?

Was Studierende aus Russland angeht, so ist hier die Situation sehr komplex. Die HSZG unterhält aufgrund ihrer strategischen internationalen Ausrichtung langjährige aktive Partnerschaften mit Hochschulen in Russland, z. B. der ITMO und der UNECON in St. Petersburg. Um diese Partnerschaften finanziell abzusichern, haben wir in der Vergangenheit über die Austauschprogramme Erasmus+ Weltweit und DAAD Ostpartnerschaften erfolgreich Projekte eingeworben. Die Fakultät Naturwissenschaften betreibt ein erfolgreiches Doppeldiplom-Programm mit der ITMO. Diese Partnerschaften sind durch die politische Entwicklung der letzten Wochen teilweise gefährdet. Zwar können Aufenthalte von russischen Studierenden und Mitarbeitenden an der HSZG weiterhin gefördert werden – es muss also niemand vorzeitig zurückreisen – unsere Projekte laufen jedoch entweder Ende 2022 oder spätestens Mitte 2023 aus. Ob wir neue Fördermittel einwerben können und wie Partnerschaften mit russischen Hochschulinstitutionen weiterhin gefördert werden, ist derzeit unsicher.

Wie viele ukrainische Studierende studieren aktuell an der HSZG? Welche Hilfestellungen und Unterstützungsmöglichkeiten werden von Seite der HSZG geleistet?

Zurzeit sind in unseren Studiengängen und im Studienkolleg (Einrichtung zur Studienvorbereitung) 11 ukrainische Studierende eingeschrieben. Kurz nach Beginn des Krieges haben wir sie gebeten, sich im International Office zu melden, sollten sie Unterstützung benötigen. Diese Möglichkeit haben einige genutzt und die Mitarbeiter*innen der Hochschule stehen mit ihnen in engem Kontakt. Außerdem hat sie der Rektor am 1. April 2022 zu einem persönlichen Austausch eingeladen. Die Studierenden wissen also, dass ihnen bei uns alle Türen offenstehen. Einige Studierende engagieren sich in der Flüchtlingshilfe, einige kümmern sich um geflüchtete Familienmitglieder. Insgesamt handelt es sich um sehr selbstständige und stolze Menschen.

Als Leiterin des International Office sind Sie es gewohnt, das Ausländer*innenstudium an der Hochschule und den Austausch von Lehrpersonal zu organisieren. Wie herausfordernd gestalteten sich die vergangenen Wochen für Sie?

Seit Beginn des Krieges beherrscht dieses Thema meinen Arbeitsalltag. Es ist eine große Herausforderung, was jedoch im Rahmen einer solchen Krise zu erwarten war. An dieser Stelle ist es mir wichtig, mich bei dem Rektorat und vor allem bei den Mitgliedern der Task Force und auch den Mitarbeitenden, die sich in ihrer Freizeit engagieren, für ihr Engagement und die sehr gute Zusammenarbeit zu bedanken! Die Ansiedlung der Koordination im Dezernat Studium und Internationales ist eine logische Entscheidung, vor allem, weil es hier bereits Erfahrungen aus der Zeit um 2015 gibt, in der Flucht und Migration schon einmal eine große Rolle für die Hochschule Zittau/Görlitz spielte. Sollte sich die Koordination jedoch zu einer längerfristigen Aufgabe entwickeln, so wird man die Aufgabenverteilung neu denken müssen. Hier muss auch die Frage der Finanzierung ins Spiel gebracht werden. Um Sprachkurse im größeren Umfang anbieten zu können oder ukrainische Mitarbeitende einzustellen, müssen wir Fördermittel einwerben. Im Moment warten wir auf die Ausschreibung von neuen Förderprogrammen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass meine Arbeit im International Office noch nie so politisch war, wie in den letzten Wochen. Dieses Ereignis wird die internationale Ausrichtung der HSZG mit Sicherheit in neue Bahnen lenken. Ich sehe dies vor allem auch als Chance für die HSZG und bin neugierig auf die Ergebnisse.

Wie verhält es sich mit deutschen Studierenden, die aktuell in der Ukraine oder in Russland an einem Austauschprogramm teilnehmen?

Die HSZG hat durch ihre strategische Ausrichtung auf Osteuropa und die GUS-Staaten eine sehr aktive Zusammenarbeit mit ukrainischen und russischen Hochschulen, z. B. mit der Ternopil Pedagogical University in der Ukraine und den Universitäten ITMO und UNECON in Russland. Zum Glück hatten wir zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Krieges nur einen Doppeldiplom-Studierenden aus der Fakultät Naturwissenschaften in St. Petersburg. Diesen haben wir recht bald gebeten zurückzukehren, da wir das Sicherheitsrisiko als zu hoch einschätzten. Er ist auf einem Umweg über Helsinki nach Zittau zurückgekehrt, da zu dem Zeitpunkt keine Direktflüge mehr angeboten wurden. Die anderen Studierenden sind gar nicht erst ausgereist. Zum jetzigen Zeitpunkt sind Mobilitäten von Studierenden, Dozierenden und Mitarbeiter*innen nach Russland nicht förderfähig.

Wie gestaltet sich die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Partnerhochschulen? Sind Sie in Kontakt?

Die Kommunikation mit den Partnerhochschulen läuft in der Regel über die Fakultätskoordinierenden. Die ukrainischen Partner*innen haben vor einiger Zeit signalisiert, dass sie sich in Sicherheit befinden. Das kann sich inzwischen natürlich geändert haben. Laut DAAD mussten über 50 Prozent der ukrainischen Hochschulen ihre Arbeit unterbrechen, weitere unterrichten noch online. Die russischen Partnerhochschulen haben wir informiert, dass wir die Zusammenarbeit vorerst bis auf die Incomer Mobilitäten „einfrieren“ müssen. Eine realistische Einschätzung der weiteren Entwicklung ist derzeit nur schwer möglich. Wir müssen flexibel bleiben.

Foto: Ph. D. Lucie Koutková
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Dr.
Lucie Koutková
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